Freitag, 24. März 2017

[Protagonisteninterview] Berlingtons Geisterjäger von Amalia Zeichnerin


[Wir treffen uns auf dem Anwesen von Lord Victor Berlington. Freundlich werde ich begrüßt und in den großen Salon hineingeführt. Dort treffe ich auch auf die Irin Fiona O’Reilly, die französische Witwe Giselle Butler, den amerikanischen Detektiv Eliott Breeches und  die Künstlerin Veronica Chester]
 


Hallo und herzlich willkommen zum Interview. Es freut mich wirklich außerordentlich, dass ich Sie heute hier bei mir begrüßen darf. Mich würde interessieren, wie Sie sich in drei Worten beschreiben würden.

Miss Chester: „Die Kunst ist mein Leben. Oder wie es dieser antike Philosoph mal ausgedrückt hat: Kurz ist das Leben, lang ist die Kunst.“ „War das dieser, wie hieß der doch gleich, Hippokrates?“, fragt Lord Berlington.
„War das nicht der mit dem Eid?“, überlegt Giselle Butler.
„Ich glaube, ich bin gerade vom Thema abgekommen“, überlegt der Lord. „Wie war noch gleich die Frage? Ach so ja – wir sollen uns in drei Worten beschreiben.“
„Ja, aber Miss Chester hat wesentlich mehr gebraucht“, sagt der Amerikaner Eliott. Aus seiner Miene ist nicht klar zu erkennen, ob er eher genervt oder amüsiert ist, denn er hat ein Pokerface aufgesetzt. „Ich versuch‘s mal mit drei Worten – Berufswechsel, Skeptiker, Schnüffler.“
„Er meint, er ist ein Privatdetektiv, der vorher bei der Polizei war und sich kein X für ein U vormachen lässt“, verrät Lord Berlington mir.
„Und, können Sie sich in drei Worten beschreiben?“, fragt Eliott ihn feixend.
„Adlig, Alleinstehend, Übermüdet?“, erwidert der Lord ohne groß nachzudenken.
Eliott grinst, als er das hört. „Würde passen. Trinken Sie noch einen Tee, gegen die Müdigkeit.“
Giselle Butler: „Drei Worte zu mir: Witwe, Französin, Spiritistin.“
„Drei Worte? Hmm... sensibel, naturverbunden, Hexe“ , sinniert Fiona O‘Reilly.

Sie sind eine Hexe, Miss O'Reilly?

Wenn ich Ihnen mehr darüber verraten würde, müsste ich Sie anschließend mit einem Vergessenszauber belegen.


Interessant. Ich denke, ich ziehe meine Frage lieber zurück. Wer weiß, was ich sonst noch alles vergesse?! [An Mrs. Butler gerichtet] Was bedeutet die Abkürzung D.I.P.P. und was darf man sich darunter vorstellen?

Das D.I.P.P. Ist eine Erfindung der Gründerin unserer spiritistischen Gesellschaft, den Friends of the Departed (deutsch: Die Freunde der Dahingeschiedenen). Es handelt sich um ein Gerät zur Erforschung paranormaler Phänomene [englisch: Device for the Investigation of Paranormal Phenomena]. Man kann damit Ektoplasma lokalisieren, außerdem hilft es dabei, Geister und Schattenwesen aufzuspüren. Weltweit gibt es bisher nur vier solcher Geräte, soweit mir bekannt ist.

Darf ich fragen, warum Sie, Lord Berlington, die Friends of the Departed angefordert haben?

Ach, bitte, nennen Sie mich nicht Lord. Ich habe mich nie an diesen Titel gewöhnen können.
Sagen Sie einfach Victor zu mir.

Ein Adliger, der sich mit Vornamen ansprechen lässt? Das ist aber ungewöhnlich.

Nun, wir sind hier ja in England. Sie werden hier auf so manchen Exzentriker treffen, die sind bei uns recht häufig. Kommen Sie nur mal auf einen Halloween-Kostümball, dann werden Sie sehen, was ich meine. [Er lacht].

Also, die Friends of the Departed wurden mir von einem Bekannten empfohlen. Wissen Sie, Spiritismus ist ja hierzulande der letzte Schrei seit einer Weile, also dachte ich mir, irgendwas muss doch dran sein und vielleicht könnten mir die Mitglieder dort durch eine Séance oder auch andere Mittel weiterhelfen, denn die Geister meiner Eltern rauben mir in letzter Zeit den Schlaf.

Verstehe... [an den amerikanischen Detektiv gewandt] Mister Breeches, wie stehen Sie zu dieser Organisation und die wichtigste Frage an alle: Glauben Sie tatsächlich an Geister?

Eliott Breeches streicht sich mit nachdenklicher Miene über seinen Schnurrbart. „Also ganz ehrlich, ich neige dazu, eher nur an das zu glauben, was ich sehen kann. Und ich hab schon einiges seltsames gesehen, seit ich als Privatdetektiv arbeite. Aber Geister waren bisher nicht dabei. Deshalb bin ich doch sehr skeptisch, was diese Gespenstergeschichten angeht. Ich meine, die sind ja ganz unterhaltsam, aber...“

Giselle Butler: Wissen Sie, mir geht es ganz anders als unserem skeptischen Detektiv. Als ich Witwe wurde und meinen Mann wiedersah – als Geist, versteht sich –  fing mein Interesse für den Spiritismus und paranormale Phänomene erst an. Und ich habe danach noch eine ganze Reihe anderer Geister gesehen, z.B. in Séancen.“

Victor Berlington: „Sehen Sie, Eliott? Das ist keine Frage des Glaubens! Ich kann mich Giselle nur anschließen - ich habe die Geister meiner Eltern doch selbst gesehen! Oder denken Sie vielleicht, ich hätte mir das nur ausgedacht? Ich mag ja exzentrisch sein, aber so sehr dann doch nicht.“ Er wendet sich mir zu und erzählt: „ Außerdem gibt es in jedem zweiten hochherrschaftlichen Haus in London ein Gespenst. Fragen Sie nur mal in der Nachbarschaft herum, da wird Ihnen Hören und Sehen vergehen!“

Gibt es tatsächlich eine Parallelwelt, wohin man nach dem Tod kommen kann?
Fiona O‘Reilly: „Sie meinen, das Jenseits?“
„Oder die Hölle?“, meint Eliott Breeches mit einem schiefen Grinsen. „Ich habe in meinen Leben schon einige Leute getroffen, die sicher nach ihrem Tod dort landen. Bloody hell!“
„Mäßigen Sie Ihren Tonfall, Mister Breeches!“, meint Giselle Butler. „Das ist nicht gerade die feine englische Art.“
Er zuckt mit den Achseln. „Ich bin Amerikaner, schon vergessen?“
„Wie könnte ich das?“, erwidert sie mit säuerlichem Lächeln. „Ihr Akzent ist schließlich kaum zu überhören.“
„Ihrer auch nicht“, meint Breeches, und sein Grinsen wird noch breiter.
Fiona O‘Reilly wirkt peinlich berührt. „Möchte jemand noch eine Tasse Tee?“ fragt sie und greift nach der Teekanne.
Nica Chester dagegen blickt amüsiert zwischen dem Amerikaner und der französischen Witwe hin und her.
Victor Berlington meint nun: „Kommen Sie schon, das gehört doch jetzt nicht hierher. Aber ich nehme gern noch eine Tasse Tee, danke, Miss O‘Reilly.“ Einen Moment lang rührt er in seiner Teetasse, nachdem sie ihm nachgeschenkt hat. Dann meint er: „Also, wenn Sie mich fragen, früher wollte ich gern wissen, was uns nach dem Tod erwartet. Aber seit meine eigenen Eltern mich als Geister heimsuchen, frage ich mich eher, ob mich nach meinem Ableben ein ähnliches Schicksal erwartet… man stelle sich vor, im Haus der eigenen Kinder zu spuken. Apropos Kinder, soweit bin ich ja noch nicht, dabei bin ich schon sechsundzwanzig und sollte mittlerweile zumindest geheiratet haben. Aber sehen Sie, es ist so, die Liebe meines Lebens, die habe ich noch nicht getroffen. Und ich möchte nun mal gern aus Liebe heiraten und nicht aus Standes- oder Geldgründen.“
„Mein lieber Lord Berlington“, sagt Giselle Butler mit einem aufmunternden Lächeln „Ich bin mir sicher, irgendwann werden Sie eine liebenswerte Frau finden.“
„Naja, wissen Sie, das scheint gar nicht so einfach zu sein. Ich habe durchaus schon einige Frauen kennengelernt, die ich interessant und sympathisch fand. Aber verliebt habe ich mich trotzdem nie in eine.“ Er runzelt die Stirn und macht einen etwas ratlosen Eindruck.
„Ach, wie schade“, sagte Miss Chester leise.
Breeches dagegen sagt: „Trösten Sie sich, Victor, ich hatte bisher auch nicht viel Glück mit den Damen. Aber das ist eine lange Geschichte, das gehört nicht hierher...“
Einen Moment lang schweigen alle ein wenig nachdenklich und nur das leise Klirren der Porzellantassen und der Teelöffel ist zu hören.
„Also, was dieses Thema mit der Parallelwelt betrifft, nach der Sie fragen“, meint die rothaarige Fiona schließlich, „wissen Sie, dass es in der keltischen Mythologie aus meiner Heimat tatsächlich eine mystische Parallelwelt gibt? Wir nennen sie die ‚Anderswelt‘ – das Reich der Feen und anderer erstaunlicher Wesen. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob das nur Geschichten sind, oder ob etwas Wahres daran ist.“

Nun komme ich auch schon zu meiner letzten Frage: Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?
Victor Berlington wirkt ein wenig verlegen, als er antwortet: „Also, wie ich vorhin schon erwähnte, ich würde mich gern einmal verlieben.“
„Seien Sie geduldig“, meint Eliott Breeches. „Sie sind doch noch jung, gewiss finden Sie jemanden, der zu Ihnen passt. Ich habe da auch noch nicht die Hoffnung aufgegeben, und ich bin um einiges älter als Sie.“ Einen winzigen Moment lang sieht er Fiona an, ehe er sich wieder mir zuwendet. „Ansonsten freue ich mich immer über Detektivaufträge, also wenn Sie mal eine Ermittlung brauchen, hier ist meine Karte.“ Er reicht mir eine Visitenkarte.

„Aber Sie fragten ja nach unseren Wünschen für die Zukunft“, sagte Gisele.  „Ich hoffe, unsere spiritistische Gesellschaft hat weiterhin Bestand. Ich meine, wie viele Geister wollen schließlich Kontakt aufnehmen mit ihren Verbliebenen?  Oder auch umgekehrt, also die Lebenden mit den Toten? Verstehen Sie, mit unseren Séancen können wir für diese Leute vermitteln.  Außerdem wünsche ich mir, dass ich noch lange das Glück haben werde, meinen Mann zu sehen – auch wenn er ja nun leider ein Geist ist.“

Nica Chester trinkt währenddessen ihren Tee aus und meint: „Was mich angeht, ich bin mit der Kunst verheiratet – mehr oder weniger.“ Sie streift Fiona O‘Reilly mit einem Seitenblick, ehe sie fortfährt: „Also von daher hoffe ich einfach, dass ich auch in Zukunft mein Leben als Künstlerin bestreiten kann und mir die Inspirationen nicht ausgehen. Nehmen Sie nur einmal die liebe Miss O‘Reilly hier – sie hat mich zu einem Bild inspiriert, welches eine Gestalt aus der keltischen Mythologie zeigt. Sie hat mir dafür Modell gesessen. Ich muss gestehen, ich würde ja zu gern herausfinden, ob es diese mythische Anderswelt tatsächlich gibt...“ Einen Moment lang starrt sie verträumt in die Ferne.
Fiona lächelt. „Wer weiß, vielleicht finden wir es ja eines Tages heraus?“

Ich bedanke mich ganz herzlich für das Interview!

„Sehr gern“, Victor Berlington lächelt. „Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen noch meine kleine Kunstsammlung, bevor Sie gehen.“
Miss Chester meint: „Oh, die würde ich mir auch gern noch einmal ansehen.“
„Ich hoffe, das Interview wird nicht in einer Zeitung veröffentlicht?“, fragt Fiona.
„Warum denn nicht?“, fragt Giselle.
„Es muss ja nicht jeder wissen, dass ich eine Hexe bin“, erwidert Fiona leise. „Stellen Sie sich nur mal vor, wenn das allgemein bekannt werden würde, dass es Magie gibt...“
Eliott Breeches' Mundwinkel zucken. „Haha, ich schätze, eher landen wir in einer Irrenanstalt, als das uns das irgendjemand glaubt.“


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Link zur Rezension

Die Autorin: Amalia Zeichnerin
Das Cover des Buches
Berlingtons Geisterjäger 1
Anderswelt

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